Inhalt
Georgy Daniilowich Jachmenev wächst im Russland des beginnenden 20. Jahrhunderts auf. Das Land ist geprägt von Armut und Entbehrungen, besonders die kleinen Leute in den Provinzen und Dörfern haben darunter zu leiden. Zu diesen gehört auch Georgy, bis er eines Tages den durchreisenden Cousin des Zars vor einem Attentat rettet. Dieser empfindet seine Tat als heldenhaft, weshalb er ihn mit nach St. Petersburg zum Zar Nikolaus II. nimmt, wo Georgy Mitglied der Leibgarde des Zarewitsch Alexei werden soll. Georgys Leben ändert sich nun von Grund auf, Reichtum, Überfluss und Bequemlichkeiten halten Einzug. Zudem verliebt er sich in die Großfürstin Anastasia, die Tochter des letzten Zaren von Russland, deren Leben noch bis heute eine Legende darstellt. Doch das Leben am Zarenhof bleibt nicht immer so friedvoll, denn in Russland herrschen Krieg und Revolution, welche auch das Leben der Zarenfamilie vollkommen verändern sollen...
Meinung
Ich liebe historische Romane ja schon lange, aber bisher hatte ich mich fast immer auf das Mittelalter beschränkt, die Neuzeit war nicht so meins. Doch irgendwie hat dieser Roman einen unwiderstehlichen Reiz auf mich aufgeübt, denn in meiner Vorstellung hat das Zarentum in Russland etwas sehr Geheimnisvolles und Romantisches. Die Geschichte Russlands ist ein Teil der Geschichte, der eher selten in historischen Romanen behandelt wird, doch John Boyne ist es hier wunderbar gelungen, einerseits den Zauber der Romanov-Ära aufleben zu lassen, andererseits aber auch die Schattenseite dieser Zeit darzustellen.
Hierbei hat Boyne einen sehr ungewöhnlichen Erzählstil: Er fängt an, indem er seinen Protagonisten Georgy in hohem Alter erzählen lässt, wie er sich zurück erinnert an die Zeit in Russland, aber auch, was gerade in seinem Leben passiert, dann folgt ein Kapitel, dass sozusagen den Anfang der Geschichte erzählt, nämlich wie es dazu kommt, dass Georgy als junger Mann in den Winterpalast in St. Petersburg kommt. Dann wieder folgt ein Kapitel, was vom älteren Georgy erzählt, was jedoch einige Jahre vor dem ersten Kapitel spielt, dann wieder ein Kapitel, was erzählt, wie es ihm im Palast weiter erging (also ein Erzählstrang erzählt die Geschichte sozusagen vom Ende an rückwärts, und der andere Erzählstrang fängt vom Anfang an und wird vorwärts erzählt). So geht es immer abwechselnd weiter, d.h. die Kapitel nähern sich von der erzählten Zeit her immer mehr an, bis beide Erzählstränge bei der gleichen Zeit angekommen sind, was dann auch den Höhepunkt der Geschichte symbolisiert. So etwas habe ich noch nie gelesen, und auch, wenn es zwischendurch leicht verwirrend war, empfand ich diese Erzählform doch als sehr besonders. Zudem hat der Leser so die Möglichkeit, über die Wirren des kriegsgebeutelten Europas zu lesen, und nicht nur über die Epoche der Zaren in Russland.
Boyne zeigt sich in seinem Roman durchaus kritisch gegenüber dem Zarentum, dennoch schafft er es, uns die Zarenfamilie mit all seinen Mitgliedern so nahe zu bringen, dass wir mit ihnen leiden, lachen und träumen; dabei wird man natürlich besonders warm mit Anastasia. Diese Prinzessin (gut, sie war Großfürstin, aber das ist ja auch nix anderes... ^^) ist eine Legende in sich, denn lange Zeit war ihre Existenz unklar, und John Boyne erzählt hier seine ganz eigene Geschichte über Anastasia, in der Georgy eine große Rolle spielt. Mehr möchte ich hier eigentlich gar nicht verraten, nur, dass ich auch nach der Lektüre des Buches nochmal recherchieren musste, was nun tatsächlich mit der Großfürstin passiert ist. Ich muss sagen: Mir gefällt Boynes Geschichte besser als die mutmaßliche Realität.
Fazit
Der Autor nimmt uns in The House of Special Purpose mit auf eine spannende Reise durch das Russland der ausgehenden Romanov-Ära. Mit einem noch nie dagewesenen Erzählstil schildert er das Auf und Ab dieser Zeit mit zwei liebenswerten Charakteren, deren Geschichte den Leser berührt. Eine große Leseempfehlung!
Bewertung
Ich vergebe 4,5 von 5 Blümchen.
5 Kommentare:
Aw, den Roman möchte ich auch noch unbedingt lesen, weil ich bisher zwei seiner Bücher gelesen und geliebt habe. Du machst mir gerade Lust auf mehr und große Hoffnungen :D
Dann lies es bald, es lohnt sich sehr! :)
Hach ja, das Buch ist wirklich toll. :-) Und das Cover der englischen Ausgabe ist sooo schön. *schwärm*
Du mochtest es :) Wie schön :)
Der Erzählstil von Boyne ist auch einfach so toll. Die Geschichte sowieso ;)
@buchstabenträume: Ja, ich mag das Cover auch sehr gern, eigentlich noch lieber als das deutsche. Die Farben bringen einfach für mich Russland besser rüber, keine Ahnung, warum. Wahrscheinlich, weil ich es mit Kälte und Winter verbinde.
@Nanni: Ich hab ja noch kein anderes Buch von ihm gelesen, aber diese Art zu erzählen hab ich wirklich noch nie gelesen. Macht er das in anderen Büchern auch so, also diese verschiedenen Erzählzeiten??
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