Inhalt
Hatte Carya bisher ein ganz normales, einfaches Leben in Arcadion geführt, ändert sich dieses von einem Tag auf den anderen, denn durch das Zutun einer Freundin sitzt sie plötzlich in einer Verhandlung, bei der ein Invitro, so werden in ihrer Welt die künstlich erschaffenen Menschen genannt, gefoltert wird. Caryas Weltbild wird in den Grundfesten erschüttert, und im Affekt schießt sie auf die Menschen, die dafür verantwortlich sind: der Lux Dei, die Inquisitoren von Arcadion. Von nun an ist sie auf der Flucht und ihre einzigen Begleiter sind Jonan, ein fahnenflüchtiger Soldat, und der Straßenjunge Pitlit. Auf der Flucht entdeckt sie immer mehr Geheimnisse der Lux Dei, aber auch ein lange vergessenes Geheimnis über ihre eigene Herkunft, welches ihr unerwartete Verbündete verschafft...
Meinung
Für mich waren die Bücher von Bernd Perplies bisher immer ein einziges Auf und Ab, denn die Magierdämmerung-Trilogie hatte sehr viele Höhen, aber doch auch deutliche Schwächen, besonders im letzten Band. Auch hier bestätigt sich wieder meine Erfahrung mit diesem Autor, denn obwohl ich das Buch wirklich gern mochte, sind doch wieder einige Probleme für mich aufgetaucht. Aber fangen wir doch erstmal bei den Stärken an, denn da gibt es durchaus auch einige.
Wieder einmal entführt uns Bernd Perplies in eine teilweise bekannte, aber auch zum Teil vollkommen neue Welt. Dieses Mal ist es nicht das vergangene, Steampunk-trächtige London, sondern das post-apokalyptische Rom. In dieser neuen Welt heißt es allerdings Arcadion, doch die Hinweise sind eindeutig genug, um es als ehemaliges Rom bzw. Vatikanstadt zu identifizieren. So liegt es laut Autor auf einem stiefelförmigen Land, zudem gibt es eine Engelsburg und einen riesigen Dom im Mittelpunkt der Stadt. Auch die Menschen dort haben italienisch klingende Namen. Ich mag diese Art, dass er immer etwas nimmt, was einem im Ansatz schon vertraut ist, es aber doch so verändert, dass man wieder Neues entdecken kann. So auch in Arcadion: Diese dystopische Welt ist geprägt von einem Schrecken, den die Menschen als die "dunklen Jahre" bezeichnen, eine nicht näher bezeichnete Katastrophe, die sich einige Jahre vor der Handlung im Buch zugetragen hat und große Teile der Erde unbewohnbar gemacht hat. Bernd Perplies erklärt die Umgebung und die Zustände in Arcadion sehr genau, man kann es sich gut vorstellen, indem man die Bilder, die man eh schon von Rom im Kopf hat, ein wenig ergänzt bzw. abändert.
Die Handlung verfügt über einen größtenteils gelungenen Spannungsbogen, bis auf ein paar wenige Längen am Anfang und in der Mitte. Das Ende jedoch hat mich vollkommen überzeugt, so wie auch schon in seinen vorherigen Büchern, denn ein Händchen für actiongeladene Finale hat er definitiv. Auch hatte ich keine großen Schwierigkeiten, mit den Figuren warm zu werden, denn sowohl Carya, als auch Jonan und Pitlit, sowie die Nebenpersonen sind einem schnell sympathisch.
Hier kommen wir allerdings schon zu einer der Schwächen des Buches: Die Charakterkonstellation war für mich meist sehr unvollständig und oberflächlich. Ob es nun die sich langsam anbahnende Liebesbeziehung zwischen Jonan und Carya, die Freundschaft zwischen Carya und ihrer besten Freundin Rajael oder zwischen Jonan und seinem Freund Lucai ist, irgendwie habe ich diese Beziehungen und auch andere nicht recht ernst nehmen können. Hier bleibt der Autor leider etwas oberflächlich, so dass es stellenweise unglaubwürdig wird. Schade! Denn Potential haben alle diese Figuren für sich allein, nur im Zusammenspiel wirken sie nicht authentisch. Dadurch entstehen einige Logiklöcher, z.B. kann man als Leser nur wenig nachvollziehen, warum Jonan ganz plötzlich Carya zu Hilfe kommt, obwohl er sie erst einmal vorher gesehen und nicht einmal mit ihr gesprochen hat und sie eigentlich verhaften sollte. Instant Love lässt grüßen.
Aber nicht nur seine Personen bleiben ein bisschen in der Oberflächlichkeit zurück, sondern auch sein Plot. Vielleicht liegt es daran, dass es der erste Band für eine Trilogie (?) ist, aber ein bisschen unbefriedigt bin ich schon, was die ganzen Hintergründe angeht. Immerzu werden von irgendwelchen diffusen Bedrohungen aus anderen Ländern gesprochen, Namen wie Austrogermania und Mondkaiser werden in den Raum geworfen, aber nie so richtig erklärt, man kann sich nur seinen Teil denken. Auch die ganze Entstehung dieser neuen Welt wird noch sehr im Dunkeln gelassen, wir erfahren zwar von dem ungefähren Aufbau von Arcadions System und eben von diesen nicht weiter definierten "dunklen Jahren", ausgelöst durch einen sogenannten Sternenfall, von Strahlenbelastung im Umland von Arcadion, von einem Ödland und Mutanten, aber warum, wieso, weshalb, wird nicht weiter erklärt. Gerade für einen ersten Band einer dystopischen Reihe, der uns ja eigentlich auch zum großen Teil in diese neue Welt einführen soll, erwarte ich da sehr viel mehr Informationen.
Mein letzter Kritikpunkt bezieht sich auf bestimmte Begriffe, mit denen Menschengruppen in dieser Welt bezeichnet werden. Bernd Perplies redet zum einen von "Mutanten", die nichts weiter sind als Menschen, die scheinbar verstrahlt wurden, und daher mit Missbildungen oder Krankheiten leben müssen. Ich finde diesen Begriff einfach sehr irreführend, und zudem sehr herabwertend. Ich verstehe es ja noch, wenn die Propaganda von Arcadion diese Menschen immer noch als Mutanten betitelt, aber warum machen das die Hauptpersonen auch weiterhin, nachdem sie sich sogar mit einigen von ihnen befreunden? Dasselbe gilt für den Begriff "Invitro" oder "Künstlicher". In meinen Augen ein weiterer diskriminierender Begriff, der nicht aus der Perspektive der Personen benutzt werden sollte, die sich gegen solche Propaganda auflehnen.
Fazit
Insgesamt ist also mein Ausflug mit Bernd Perplies wieder einmal sehr durchwachsen gewesen. So bleiben einige Beziehungen zwischen den Charakteren oberflächlich, zudem geht Herr Perplies leider sehr sparsam mit Informationen um, die die Hintergründe seiner neuen Welt betreffen. Und doch: Das Finale des Buches hat mich gepackt, so dass ich auf jeden Fall den zweiten Band dieser Reihe lesen möchte, denn großes Potential hat die Geschichte definitiv, so dass durchaus noch Steigerung möglich ist. Ich bin darauf gespannt, wie es mit Jonan und Carya weitergeht.
Bewertung
4 von 5 Blumen!
Vielen Dank an LYX für dieses Rezensionsexemplar!
Reiheninformation
Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich glaube, auch diese Reihe wird wieder eine Trilogie. Der zweite Teil
Im Schatten des Mondkaisers (aha, da ist er wieder, dieser ominöse Mondkaiser!!! ^^) wird im
März 2013 wieder bei LYX erscheinen. Im Übrigen finde ich die Cover wirklich sehr gelungen! In echt sieht
Flammen über Arcadion noch viel schöner aus, mit einigen Spotlack-Highlights. ♥